In unserem Blogbeitrag vom 14.09.2022 haben wir bereits über die „Paukenschlag“ Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 (1 ABR 21/22) zur Arbeitszeiterfassung berichtet.

Nun liegen die Entscheidungsgründe vor, die ein bisschen genauer beschreiben, was sich das BAG vorstellt, wenn es eine Pflicht zur Zeiterfassung aller Arbeitgeber festlegt. Ohne ein Tätigwerden des Gesetzgebers bleibt aber vieles (wie ja schon erwartet) noch unklar…

Was muss denn nun erfasst werden?

Das BAG gibt vor, dass (abgeleitet aus arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften) Arbeitgeber täglich Beginn, Ende und Überstunden erfassen müssen.

Damit sei gewährleistet, dass sowohl die Überprüfung der Einhaltung der täglichen Ruhezeiten möglich ist als auch die der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Von Pausenzeiten ist zumindest nicht explizit die Rede. Zum Arbeitsschutz gehören diese aber auch dazu – und für die Frage der Dauer der Arbeitszeit.

Dabei stellt das BAG zudem klar, dass die Daten nicht „lediglich erhoben“ werden dürfen. Die Daten müssen vielmehr erfasst und damit aufgezeichnet werden. Nur so sei eine spätere Überprüfung, auch durch Behörden, möglich.

Muss das elektronisch erfolgen?

Nein, das BAG meint, dass es nicht zwingend eine elektronische Erfassung sein muss, sogar Aufzeichnungen in Papierform könnten genügen – je nach Unternehmen und Tätigkeit.

Muss der Arbeitgeber die Zeiten selbst erfassen?

Auch hier ein „nein“ des BAG – es sei möglich, die Erfassungspflicht auf die Arbeitnehmer zu delegieren. Damit schließt die Erfassungspflicht eine Tätigkeit im Homeoffice – oder auch Vertrauensarbeitszeit nicht per se aus. Das gilt zumindest, solange man Vertrauensarbeitszeit nicht als „Arbeiten ohne jegliche Kontrolle der Arbeitszeit“ versteht. Eine selbstbestimmte Planung und freie Zeiteinteilung durch den Arbeitnehmenden (im Rahmen der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes) bleiben damit möglich.

Aber Achtung: das BAG stellt gleichsam klar, dass es nicht ausreichend ist, wenn ein Arbeitgeber ein System „zur Verfügung“ stellt und es damit den Arbeitnehmern überlässt, ob sie es nutzen oder nicht. Er muss auch tatsächlich Gebrauch davon machen und damit Nachhalten, dass die Erfassung auch erfolgt.

Gilt das nun für alle Arbeitnehmer?

Das gilt, da es im Fall des BAG um Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ging, laut BAG in jedem Fall für Arbeitnehmende im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG.

Das BAG hält fest, dass der EuGH aber durchaus geurteilt hatte, dass ein Mitgliedstaat Ausnahmen vorsehen könne für Mitarbeitende, bei denen die Dauer der Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht bemessen und/ oder vorherbestimmt sei oder von den Arbeitnehmern selbst bestimmt werden könne. Auch die Arbeitszeitrichtlinie lässt Ausnahmen zu.

Man kann nun trefflich darüber streiten, ob insbesondere leitende Angestellte nun bereits ausgenommen sind oder nicht. Schließlich ist das Arbeitszeitgesetz über § 18 ArbZG nicht auf sie anwendbar.

Wie so oft ist hier eine Klarstellung des Gesetzgebers wünschenswert, der diese und andere Fragen durchaus regeln kann. Ob und welche Ausnahmen der Gesetzgeber zudem umsetzt und wie er die Spielräume des BAG und des EuGH nutzt, bleibt aber weiterhin abzuwarten. Es steht nur zu hoffen, dass nicht noch mehr Bürokratie über die Unternehmen einbricht.

Bis dahin sind Verstöße gegen die Pflicht zur Einführung jedoch nicht direkt bußgeldbewehrt. Hierfür wäre zunächst eine behördliche Anordnung zur Einführung erforderlich, gegen die dann weiterhin verstoßen werden müsste.

Und wie sieht es aus mit Mitbestimmungsrechten?

Unternehmen sind über das Arbeitsschutzgesetz ohnehin bereits jetzt verpflichtet, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. Der Betriebsrat ist dabei, wenn es um die Ausgestaltung geht. Hier eröffnet das BAG ja durchaus einen Spielraum – und schon sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gegeben.

So können und müssen sich die Betriebsparteien also darauf einigen, in welcher Art und Weise die Erfassung im Betrieb zu erfolgen hat. Dabei können sie differenzieren nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und den Eigenheiten des Unternehmens.

Sind wir damit nun umfassen schlauer?

Nein, weiterhin sind – wie ja schon erwartet – nicht alle diesbezüglichen Fragen geklärt. Das ist schließlich auch nicht Aufgabe des BAG und war auch gar nicht Gegenstand des Verfahrens.

Vor diesem Hintergrund nun (weiterhin) erst einmal gar nichts zu tun ist aber sicher kein guter Rat für Unternehmen. Sie sollten durchaus das Zepter in der Hand behalten und prüfen, wie eine Umsetzung aus ihrer Sicht am besten erfolgen kann – Spielräume gibt es auch nach Vorliegen der Gründe schließlich noch.


Astrid Krüger berät nationale und internationale Unternehmen umfassend im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und angrenzender Rechtsgebiete und begleitet Restrukturierungen und Transaktionen.