Im März 2018 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine Entscheidung zur Frage von Nachtarbeits-Zuschlägen gefällt, die sich vielleicht auch auf andere Tarifwerke auswirken kann. Der Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie wollte die Passage im derzeit ungekündigt geltenden Manteltarifvertrag neu verhandeln. Die zuständige Gewerkschaft „NGG“ verschließt sich dem mit Verweis auf das ungekündigte Tarifwerk. Auf dem Rücken der Arbeitnehmer.

Wie die Lebensmittelzeitung in Ausgabe 27 berichtet, weigert sich die NGG, wichtige Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie (Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss) zur Anpassung des ja ungekündigten Manteltarifvertrages zu führen – und versucht sich dadurch ein Druckmittel für die Anpassung weiterer Regelungen zu verschaffen. Wenn erst einmal eine Kündigung erklärt ist, um den Punkt „Zuschläge“ auch im Sinne der Arbeitnehmer anfassen zu können, sind natürlich auch alle möglichen anderen Gegenstände wieder offen.

Fair ist anders, schließlich hatte auch die NGG den bestehenden MTV so abgeschlossen, wie er war – auch in Unkenntnis der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Nachtzuschläge.

Zum Hintergrund:

Das BAG hatte am 21.03.2018 (10 AZR 34/17) in Bezug auf einen Manteltarifvertrag der Textilindustrie geurteilt, dass ein Tarifvertrag in Bezug auf die Höhe der Zuschläge nicht in erheblicher Weise zwischen einmaliger Nachtarbeit und solcher, die im Rahmen von regelmäßiger Schichtarbeit vorkommt, unterscheiden darf. Das gilt aber nach BAG z.B. auch nur, wenn die Belastung in der Nachtschicht tatsächlich nicht geringer ist als in der Tagschicht. Auch ist beispielsweise noch entscheidend, in welchem Umfang überhaupt Nachtschicht anfällt.

In diesem Fall konnte ein Schicht-Mitarbeiter jedoch den Anspruch auf den höheren Zuschlag für einmalige Nachtarbeit (50 % statt 15 %) erfolgreich geltend machen.

Da Arbeitgeber und die Tarifvertragsparteien aber grundsätzlich die Möglichkeit haben, die Belastungen der Nachtschicht nicht nur monetär, sondern auch in Freizeit auszugleichen (was zum Beispiel der Manteltarifvertrag der Ernährungsindustrie vorsieht), steht überhaupt nicht fest, ob und in welchem Ausmaß dieses Urteil tatsächlich Auswirkungen auf andere Branchen hat. Auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung stellt sich.

Dennoch werden nun, da sich die Gewerkschaft NGG einer klaren Neufassung verschließt, etliche Arbeitnehmer individuell versuchen, höhere Zuschläge gerichtlich geltend zu machen und ihre Arbeitgeber zu verklagen. Die Aussicht auf Erfolg ist offen und das BAG wird sich zu der Auslegung dieses konkreten Tarifwerks auch erst in zwei bis drei Jahren äußern können. Ein Pokerspiel, was sicher auch nicht im Sinne der Arbeitnehmer ist.


Astrid Krüger berät nationale und internationale Unternehmen umfassend im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und angrenzender Rechtsgebiete und begleitet Restrukturierungen und Transaktionen.