Erste Arbeitsgerichte entscheiden, dass der Arbeitgeber auch ohne einer bestehenden nationalen Regelung zur Einrichtung eines Arbeitszeiterfassungssystem verpflichtet sind. Dies ergäbe sich direkt aus der unmittelbaren Anwendung der EU-Grundrechte-Charta. Der Arbeitgeber könne ohne objektives und verlässliches Arbeitszeiterfassungssystem die vom Arbeitnehmer dargelegte Arbeitszeit nicht widerlegen und muss sie im Zweifel vergüten.

Hintergrund.

Am 14. Mai 2019 hatte der EuGH erstmals entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

Die überwiegende Mehrheit in der juristischen Literatur vertritt seither die Auffassung, dass es sich hierbei allein um eine Handlungsverpflichtung für die EU-Mitgliedstaaten handele und man somit zunächst auf das Tätigwerden des Gesetzgebers warten könne.

Das Arbeitsgericht Emden folgte in seinem Urteil vom 20. Februar 2020 (Az. 2 Ca 94/19) diesem Ansatz jedoch nicht und leitete die Verpflichtung der Arbeitgeber zur Einführung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen System Arbeitszeiterfassungssystems direkt aus Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechte Charta ab.

Da der Arbeitgeber im vorliegenden Fall kein ausreichendes Arbeitszeiterfassungssystem nutzte, konnte er die vom Arbeitnehmer behaupteten und dargelegten Arbeitszeiten nicht widerlegen und musste sie vergüten.

Ausblick.

Die Argumentation des Arbeitsgerichts Emden ist durchaus überzeugend und legt das rechtliche sowie wirtschaftliche Risiko der Arbeitgeber offen, solange der Gesetzgeber keine nationale Regelung mit Ausnahmetatbeständen zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystem erlässt. Für die meisten Arbeitgeber besteht daher im Hinblick auf die Einrichtung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung ein erhöhter Handlungsbedarf, wenn sich weitere Gerichte der Ansicht des Arbeitsgerichts Emden anschließen. Die bisherige Strategie des „Abwartens“ sollte daher hinterfragt und die zukünftigen Entwicklungen zumindest genau beobachtet werden.