Merksatz: Der öffentliche Auftraggeber darf die Zuschlagskriterien bestimmen, da er das Leistungsbestimmungsrecht für den auszuschreibenden Auftrag hat. Es ist nicht seine Aufgabe, bestehende Wettbewerbsunterschiede der Marktteilnehmer auszugleichen. Dient jedoch ein Zuschlagskriterium ausschließlich dazu, am Markt bestehende Wettbewerbsvorteile eines bestimmten Bieters zu nivellieren, kann dies für diesen eine vergaberechtswidrige Diskriminierung bedeuten. Ist ein Zuschlagskriterium jedoch aufgrund sachlicher und auftragsbezogener Gründe diskriminierungsfrei festgelegt worden, ist dann auch hinzunehmen, wenn es dazu führt, dass bestimmte Wettbewerbsvorteile, die ein einzelner Bieter im Markt geniest, im Verfahren nicht in gleicherweise zum Tragen kommen.

Sachverhalt: Der Auftraggeber schrieb Schienenpersonennahverkehrsleistungen EU-weit aus. Der Bieter rügte eines der Wertungskriterien und sah darin eine Diskriminierung und einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, § 127 Abs. 1 S. 1 GWB. Das Wertungskriterium betraf ursprünglich einen Abzugsbetrag, der vom Preis des Bieters abgezogen wird, wenn der Bieter nach seinem Angebot den Einsatz von Neufahrzeugen für die Erbringung der Leistungen vorsieht. Es konnte maximal ein Abzugsbetrag von 85 Mio. EUR erreicht werden. für eine Differenzierung bei der Wertung von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen war nach Auffassung des Bieters jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich, da keine qualitativen Unterschiede zwischen Neu- und Gebrauchtfahrzeugen bestünden. Die Höhe des Abzugsbetrags sei auch willkürlich festgesetzt. Der Abzugsbetrag verhindere weiteren Wettbewerb durch ein Angebot, bei dem die Leistungen mit Gebrauchtfahrzeugen erbracht werden. Der „Vorteil“ eines Angebots mit Gebrauchtfahrzeugen werde bereits durch den „Nachteil“ der umfangreichen Anpassungen der Gebrauchtfahrzeugen an die für alle Bieter geltenden fahrzeugbezogenen Vorgaben der Leistungsbeschreibung aufgezehrt. Der Abzugsbetrag greife damit zusätzlich aktiv in den Wettbewerb ein und mache die Abgabe eines Angebots mit Gebrauchtfahrzeugen unwirtschaftlich.

Entscheidung: Die daraufhin angerufene Vergabekammer entschied, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei. Der Bieter sei durch die Festsetzung des Abzugsbetrages im Wertungskriterium nicht in seinen Rechten verletzt. Der Abzugsbetrag sei als qualitatives Zuschlagskriterium nach § 127 Abs. 1 S. 4 GWB, § 58 Abs. 2 S. 2 VgV zu sehen und bei seiner Festsetzung sei dem Auftraggeber kein offensichtlicher Beurteilungs- und Ermessensfehler unterlaufen. Das ausschließliche Recht zur Bestimmung des Leistungsgegenstandes und seiner Eigenschaften stehe dem öffentlichen Auftraggeber zu. Er dürfe damit auch die Kriterien für die Zuschlagserteilung bestimmen, indem er festlege, worauf es ihm bei dem Auftrag ankomme und was er als wirtschaftlich im Sinne des Ausschreibungszieles ansehe. Dem Auftraggeber stehe dabei ein großer Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu.

Die maßgeblichen Verfahrensgrundsätze habe der Auftraggeber eingehalten: Nach § 127 Abs. 1 S. 1 GWB und § 58 Abs. 1 VgV erfolgt der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot. Die Vorschriften stellen klar, dass es sich beim Zuschlag um eine Wertungsentscheidung handelt. Öffentliche Auftraggeber sind zwar an Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Für sich genommen jedoch ist es vergaberechtlich noch keine Ungleichbehandlung, wenn ein Zuschlagskriterium qualitative Gesichtspunkte der Leistungserbringung hervorhebt. Ein hoher Einfluss von Qualitativkriterien auf die Zuschlagsentscheidung kann zulässigerweise einzelnen Bietern unter Umständen mehr als anderen entgegenkommen. Das jedoch lässt die Verwendung der aufgestellten qualitativen Zuschlagskriterien für sich genommen noch nicht als vergaberechtswidrig erscheinen. Die Festlegung eines Abzugsbetrages drücke keine diskriminierende Absicht des Auftraggebers aus und es sei nicht dessen Aufgabe, bestehende Wettbewerbsunterschiede den Markteilnehmer auszugleichen. Wenn der Auftraggeber gleichzeitig den Wettbewerb erweitert, ist zweifelhaft, dass der öffentliche Auftraggeber bestehende Wettbewerbsvorteile nicht nivellieren darf. Kommen daher bestimmte Wettbewerbsvorteile eines Bieters zu seinen Gunsten nicht zum Tragen, ist dies nicht automatisch diskriminierend, sondern durch das Bestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt, wie die Vergabekammer Süd Bayern (Beschl. v. 4. Juni 2018 – Z3-3-3194-1-08-03/18) zu Recht entschied.

Hinweise: Dem Auftraggeber steht ein großer Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu, der im Prinzip erst an der Willkür seine Grenze findet: Das Zuschlagskriterium muss mit dem Auftragsgegenstand immer sachlich in Verbindung stehen und bleiben.


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Christoph Just LL.M. ist Partner unserer Sozietät in Frankfurt am Main und Fachanwalt für Steuer- und Verwaltungsrecht. Seine Praxis fokussiert sich auf Prozessführung (staatliche und Schiedsgerichtsbarkeit) wie auch auf regulatory (Umwelt, Energie, Vergabe).