„Coty-Entscheidung“ des OLG Frankfurt bestätigt Vertriebsbeschränkung

Merksätze: Legt der Unternehmer in einem selektiven Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dient, die Auswahl der Verkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer fest und wendet er diese Gesichtspunkte ohne Diskriminierung an und gehen die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinaus, ist ein solches System mit europäischem Wettbewerbsrecht, insbesondere Art. 101 AEUV, Art. 4 VO (EU) 330/2010 vom 20. April 2010 vereinbar. Dabei kann ein solches System darauf gerichtet sein zu verbieten, dass beim Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar Drittplattformen eingeschaltet werden, wenn eine entsprechende Klausel des Vertriebssystems das Luxusimage der Vertragswaren sicherstellen soll, einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt wird sowie in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel steht. Es liegt dann weder eine Beschränkung der Kundengruppe im Sinne von Art. 4 lit. b der VO (EU) 330/2010 vor, noch eine Beschränkung des passiven Verbrauchs an Endverbraucher i.S.v. Art. 4 lit. c der VO.

Entscheidung: Die Klägerin vertreibt unter anderem Luxuskosmetika in Deutschland und hatte ein selektives Vertriebssystem aufgebaut. Dass sie hierfür die Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art auswählte, war nicht streitig. Die Beklagte ist autorisierter Einzelhändler und vertreibt die Produkte der Klägerin in stationären Absatzstätten, aber auch im Internet, teils über eigene Internetshops, teils über die Plattform „amazon.de“.

Das OLG entschied, dass die Beklagte den Vertrieb über allgemeine Verkaufskanäle des Internet für bestimmte Luxuskosmetika zu unterlassen habe. Dass die streitgegenständlichen Marken gezielt als Luxusartikel im Markt positioniert wurden, ergab die Beweisaufnahme, die zeigte, dass die Klägerin neben einer allgemeineren „beauty“-Linie gerade auch einen davon unterschiedenen Vertriebskanal aufgebaut habe, was ein die Luxus- und Prestigeeigenschaft prägendes Element bilde (BKartA, B9-520/06 – Douglas/hela) und dann sachlich einen eigenständigen Teilmarkt bilden könne. Zwar genügt nicht schon, dass der Hersteller dies für die Etablierung eines Luxusimages für erforderlich halte. Das selektive Vertriebssystem müsse auf der anderen Seite nicht vollständig lückenlos sein, sofern der Hersteller es nur einheitlich und diskriminierungsfrei anwende: Es müsse eine nachvollziehbare und willkürfreie Vertriebspolitik zugrunde liegen.

Dabei griff das OLG auch den Einwand auf, dass die Klägerin den Verkauf in Flugzeugen und in Flughafenshops zuließ, wo neben ihren Luxuskosmetika auch „Billigprodukte“ abgesetzt wurden. Das OLG rechtfertigte das über die branchen-übliche Fortsetzung des duty-free-Verkaufs. Dabei trugen auch die Gestaltung der Flughafenshops sowie die dortige Warenpräsentation zu einem wertigen Erscheinungsbild bei.

Da zudem die erforderlichen Marktanteile bei Klägerin und Beklagter nicht erreicht wurden, war das selektive Vertriebssystem der Beklagten nach Art. 3 Abs. 1 VertGVO gesetzlich frei gestellt, ohne dass es auf die weitere Frage ankam, ob das Vertriebssystem angemessen im Sinne des obigen Merksätze war.

Hinweise:

Die Entscheidung überrascht nicht (siehe bereits Kartellrechtsnewsflash vom 1. August 2018). Der EuGH hatte bereits in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2017 (Rs. C- 230/16) die wesentlichen Vorfragen (siehe Merksätze oben) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens entschieden. Das OLG hatte danach entsprechende Tatsachenfeststellungen zu treffen. Zu beachten ist, dass auch nach den „Merksätzen“ des EuGH, die folgerichtig das OLG stringent anwendet, vor allem der praktischen Umsetzung von grundsächtzlich nun zulässigen Regelungen in derartigen Systemen eine maßgebliche Wirkung zukommt. Erstens muss die Regelung an sich nach den oben genannten Merksätzen zulässig sein. Ein beliebiger, beschränkender Grund genügt daher nicht. Wesentlich ist aber zudem, ob und wie der Unternehmer diese Vertragsregelung „lebt“.


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Christoph Just LL.M. ist Partner unserer Sozietät in Frankfurt am Main und Fachanwalt für Steuer- und Verwaltungsrecht. Seine Praxis fokussiert sich auf Prozessführung (staatliche und Schiedsgerichtsbarkeit) wie auch auf regulatory (Umwelt, Energie, Vergabe).