Das BAG hat in seinem Urteil vom 07.12.2021, 1 AZR 562/20, teilweise neue Vorgaben für die Gestaltung von Sozialplänen und das Zusammenspiel mit Klageverzichtsprämien festgelegt.

Wir fassen Ihnen zusammen, was das für die Praxis bedeutet – und welche Spielräume Unternehmen nutzen können, um im Rahmen von Personalabbaumaßnahmen schnelle Rechtssicherheit in Bezug auf die ausgesprochenen Kündigungen zu erlangen.

Ausgangslage.

Handelt es sich bei einer arbeitsrechtlichen Restrukturierungsmaßnahme um eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG, müssen Unternehmen regelmäßig mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln. Herzstück von Sozialplänen sind in der Regel Abfindungszahlungen, die anhand von sehr unterschiedlich differenzierten Formeln berechnet werden können. Oft enthalten diese ein „Cap“, also eine Maximalgrenze.

Neben dem Sozialplan haben Arbeitgeber das verständliche Interesse, die Maßnahme möglichst rechtssicher umzusetzen, sprich: das Führen von Kündigungsschutzklagen soll möglichst vermieden werden. Mitunter reicht hierfür ein fair dotierter Sozialplan nämlich nicht aus. Es gibt häufig Mitarbeiter, die dennoch vor Gericht ziehen, um die Wirksamkeit der Kündigung überprüfen zu lassen – auch sie fallen schließlich in jedem Fall auf die Abfindung nach dem Sozialplan zurück.

Um das abzufangen, schließen Arbeitgeber außerhalb des Sozialplans mit dem Betriebsrat oft noch eine „Klageverzichtsprämie“ in Form einer freiwilligen Betriebsvereinbarung ab. Hierin wird allen Mitarbeitern, die keine Klage erheben, eine Erhöhung der Abfindung zugesagt.

Arbeitgeber müssen hier diverse Spielregeln beachten, damit das wirksam möglich ist und der Anspruch tatsächlich auf die Nicht-Klagenden Mitarbeiter begrenzt ist:

Das BAG hat stets festgehalten, dass nicht Teile der Abfindung mit dem Verzicht auf eine Klage verknüpft werden dürfen. Entsprechend sind diese Prämien unbedingt außerhalb des Sozialplans abzuschließen. Zudem durfte bislang aber auch der Topf, der für die Abfindungen und damit den Nachteilsausgleich zur Verfügung steht, nicht in einem Maße durch die Turboprämie reduziert werden, dass keine angemessene Abfindung mehr gezahlt wird. Sonst besteht das Risiko, dass die Klageverzichtsprämie an alle auszuzahlen ist – auch die, die geklagt haben.

Die Entscheidung des BAG.

Sachverhalt.

In dem vom BAG entschiedenen Fall berechnete sich die Abfindung nach dem Sozialplan insbesondere nach der viel gebrauchten Formel Betriebszugehörigkeit * Bruttomonatsgehalt * Faktor. Der Faktor lag je nach Altersgruppe zwischen 0,15 (für rentennahe Jahrgänge) und 0,9. Als „Cap“ war ein Betrag von EUR 75.000,00, für Mitarbeiter über 62 Jahre bei EUR 45.000,00 brutto vereinbart.

Im Rahmen der am selben Tag wie der Sozialplan abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur Klageverzichtsprämie wurde dieser Faktor um 0,25 erhöht, konnte sich also tatsächlich erheblich auswirken.

Der klagende, 58-jährige Arbeitnehmer fiel unter die „Cap“ Regelung und klagte auf Zahlung der vollen Abfindung nach der Sozialplanformel. Die Kappung sei eine Altersdiskriminierung. Zudem macht er zusätzlich die Klageverzichtsprämie geltend, die ca. EUR 26.000,00 betrug.

Entscheidung.

Das Cap war aus Sicht des BAG wirksam, so dass keine weiteren Ansprüche auf eine Abfindung bestanden. Unternehmen können also weiterhin die maximale Höhe festlegen, sofern die maximale Höhe der Abfindung die Nachteile weiterhin „essentiell abmildert“. Sofern mit Cap aber verhindert werden soll, dass gerade ältere Arbeitnehmer übermäßig begünstigt werden, ist das zulässig.

In Bezug auf die Klageverzichtsprämie war der Arbeitnehmer jedoch erfolgreich:

Das BAG hält fest, dass der Sozialplan und die Betriebsvereinbarung zur Klageverzichtsprämie nebeneinander stehen. Die Auslegung der Regelungen ergebe, dass das Cap aus dem Sozialplan nicht für den Anspruch aus der zusätzlich abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur Prämie gilt. Wollen Arbeitgeber auch hier eine Begrenzung in der Höhe vorsehen, sollte dies also vorsorglich lieber klar in der Betriebsvereinbarung selbst enthalten sein. Doch es ist Vorsicht geboten: ein schlichter Bezug auf das Cap des Sozialplans führt bei Mitarbeitern, die ohnehin schon nur diese Maximalsumme erhalten, dazu, dass keine weitere Erhöhung trotz Verzichts auf die Klage erfolgt. Das führt aus Sicht des BAG dazu, dass ein Anspruch aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, § 75 I BetrVG, entsteht.

Neu ist, dass das BAG seine bisherige Auffassung aufgegeben hat, dass für die Klageverzichtsprämie keine „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Mittel verwendet werden dürfen. Das war in der Praxis oft sehr schwer abgrenzbar. Das BAG vertritt nun die Auffassung, dass es gar nicht feststehe, welche Mittel „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stünden, und dies daher auch nicht herangezogen werden könne.

Erfreulich ist, dass das BAG zudem keinerlei Bedenken hatte, dass die Klageverzichtsprämie zusammen mit dem Sozialplan verhandelt und auch am gleichen Tag abgeschlossen wurde – was der völlig gängigen Praxis entspricht. Auch war es unschädlich, dass die Turboprämie schlicht abfindungserhöhend wirkte und keine vom Sozialplan losgelöste Berechnung enthielt. Auch das hatte das LAG Nürnberg in vorhergehenden Entscheidungen noch anders gesehen (14.10.2020, 2 Sa 227/20 und 2 Sa 215/20).

Folgen.

Die Entscheidung gibt den Rahmen vor, in dem sich die Betriebsparteien bewegen, wenn sie Maximalgrenzen für Abfindungen und Klageverzichtsprämien vereinbaren. Insbesondere die doch sehr strikten Vorgaben des LAG Nürnberg hielt das BAG nicht aufrecht.

Die völlige Freiheit bedeutet dies jedoch nun auch nicht: Weiterhin ist essentiell, dass Klageverzichtsprämien außerhalb des Sozialplans abgeschlossen werden und in eine separate Betriebsvereinbarung einfließen. Die Sozialplanabfindung allein muss zudem immer noch angemessen die entstehenden Nachteile abfedern. Anhaltspunkte, wann das gegeben ist, liefert die vorliegende Entscheidung mit dem nach Alter gestaffelten Abfindungsrahmen mit Faktoren zwischen 0,15 und 0,95.

Es gibt dann keine fixe Grenze, wie viel Geld der Arbeitgeber zusätzlich in die Hand nehmen will, um sich die gewünschte (schnelle) Rechtssicherheit in Bezug auf die Verhinderung von Kündigungsschutzklagen zu erkaufen. Auf das Sozialplanvolumen sollte aber weiterhin der größere Teil des Gesamtpakets fallen. Und: beide Vereinbarungen können parallel verhandelt und abgeschlossen werden.

Die Formulierung von Caps und insbesondere das Zusammenspiel zwischen einem solchen in einem Sozialplan und einer zusätzlichen Klageverzichts-Regelung bedarf jedoch weiterhin äußerster Gründlichkeit.

Sie stehen vor oder stecken in eine Restrukturierungsmaßnahme – und brauchen noch arbeitsrechtlichen Support? Nutzen Sie unser Know-How und unsere Erfahrung!

Schauen Sie sich hierzu auch gern unsere Check-Liste an, die Sie in unserem Blogbeitrag vom 18. Januar 2022 finden.


Astrid Krüger berät nationale und internationale Unternehmen umfassend im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und angrenzender Rechtsgebiete und begleitet Restrukturierungen und Transaktionen.