Diese Woche: Wahlberechtigung und Wählbarkeit im gekündigten Arbeitsverhältnis

Nachdem letzte Woche der Betriebsbegriff im Sinne des BetrVG und seine unterschiedlichen Facetten näher beleuchtet wurden, soll es diese Woche um die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit von Mitarbeitenden gehen, die sich im unmittelbaren Zeitraum vor der Wahl in einem gekündigten Arbeitsverhältnis befinden. Gerade bei größeren Unternehmen mit nicht unerheblicher Fluktuation beziehungsweise bei kontroversen Trennungen stellt sich oft die Frage, ob die betreffenden Mitarbeitenden noch wählen dürfen beziehungsweise gewählt werden dürfen.

Vorab: Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn ein Mitarbeitender schon Wahlbewerber ist und nun gekündigt werden soll!

Vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an haben diese gem. § 15 Abs. 3 KSchG Sonderkündigungsschutz bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses, der in (leicht) abgeschwächter Form auch noch sechs Monate nachwirkt.

Im Übrigen genießen auch Wahlinitiatoren im Sinne des § 15 Abs. 3a KSchG und Vorfeld-Initiatoren im Sinne des § 15 Abs. 3b KSchG Sonderkündigungsschutz in dem dort genannten Umfang.

Nun aber zur Wahlberechtigung und Wählbarkeit:

  • Wer ist (aktiv) wahlberechtigt und wer ist (passiv) wählbar?

    Wahlberechtigt sind gem. § 7 Satz 1 BetrVG alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. In Satz 2 wird die Wahlberechtigung von überlassenen Mitarbeitern geregelt.

    Wählbar sind gem. § 8 Abs. 1 BetrVG alle Wahlberechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und sechs Monate dem Betrieb angehören (§ 8 BetrVG enthält auch weitere Konstellationen, um die es hier aber nicht gehen soll).

  • Und wie verhält es sich mit der Wahlberechtigung, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist?

    Hier ist zunächst zu unterscheiden, ob das Arbeitsverhältnis fristlos oder ordentlich gekündigt wurde.

    Wurde das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt, so erlischt die Wahlberechtigung grundsätzlich mit Zugang der Kündigungserklärung und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Mitarbeitende Kündigungsschutzklage erhoben hat. Eine Ausnahme ist denkbar, wenn ein fristlos gekündigter Mitarbeitender zum Zeitpunkt der Wahl eine vorläufige Weiterbeschäftigung durchgesetzt hat (BAG, 25.10.2017 – 7 ABR 10/16).

    Bei einer ordentlichen Kündigung bleiben die Mitarbeitenden bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wahlberechtigt (auch bei einer etwaigen Freistellung). Nach Ablauf der Kündigungsfrist besteht die Wahlberechtigung fort, wenn und solange sie weiterbeschäftigt werden, insbesondere wenn sie ihre Weiterbeschäftigung gerichtlich erzwingen. Umstritten ist, ob die Wahlberechtigung auch erhalten bleibt, wenn der Mitarbeiter zwar einen Weiterbeschäftigungsanspruch hat (z.B. gem. § 102 Abs. 5 BetrVG oder den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch), diesen aber nicht bis zur Wahl durchsetzt. Nach vorzugswürdiger Ansicht setzt die für die Wahlberechtigung erforderliche Betriebszugehörigkeit beziehungsweise Eingliederung allerdings eine tatsächliche Weiterbeschäftigung voraus, sodass ein „auf dem Papier“ bestehender Anspruch nicht ausreichend ist (vgl. GK-Raab, § 7 BetrVG Rn. 44 mit weiteren Nachweisen zum Streitstand).

  • Na, prima! Dann ist ja automatisch auch erklärt, dass in den oben genannten Fällen mangels Wahlberechtigung auch das passive Wahlrecht nicht mehr besteht, oder?

    Weit gefehlt!

    Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG, 10.11.2004 – 7 ABR 12/04) ist ein Arbeitnehmer der ordentlich oder fristlos gekündigt wurde und Kündigungsschutzklage erhoben hat - trotz fehlender Wahlberechtigung (s.o.) - auch zum Betriebsrat wählbar, wenn die Wahl nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt. Das gilt auch, wenn er nicht weiterbeschäftigt wird.

    Das BAG begründet dies damit, dass der Arbeitgeber durch die Kündigung nicht die Wahl eines unliebsamen Kandidaten verhindern solle, ob im konkreten Fall Kündigungen ausgesprochen wurden, um die Wahl zu beeinflussen, spiele hingegen keine Rolle.

    Auch sei der Schutzzweck bei § 7 BetrVG anders als bei § 8 BetrVG. Zum Zeitpunkt der Wahl müsse feststehen, wer wählen darf, da dies im Nachhinein nicht mehr korrigiert werden kann. Die Frage der Wählbarkeit könne demgegenüber in der Schwebe bleiben. Der Unsicherheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses lasse sich dadurch Rechnung tragen, dass der gekündigte Mitarbeitende - im Falle seiner Wahl - zwar temporär an der Ausübung seines Amts verhindert sei, dafür aber ein Ersatzmitglied gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eintrete.

    Stellt sich im Kündigungsschutzprozess rechtskräftig heraus, dass die Kündigung unwirksam war, so kann der Mitarbeiter sein Amt ausüben und genießt nunmehr auch gem. § 15 Abs. 1 KSchG Sonderkündigungsschutz.

    Stellt sich hingegen die Wirksamkeit der Kündigung heraus erlischt die Mitgliedschaft im Betriebsrat gem. § 24 Nr. 3 BetrVG. In diesem Fall rückt dann ein Ersatzmitglied gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dauerhaft nach.

Haben Sie auch Fragen zur Wahlberechtigung oder zu Wählbarkeit von Mitarbeitenden? Sprechen Sie uns gerne an!


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