Der Sektor öffentlicher Unternehmen ist so wirtschaftlich bedeutsam wie öffentlich verrufen: Rund 16.500 öffentliche Unternehmen bestehen in Deutschland. Aus Sicht steuerzahlender Bürger oftmals ein Sammelbecken erfolgloser oder aus sonstigen Gründen abgewählter Politiker, denen Parteifreunde einen warmen, üppig ausgestatteten Ruhesessel verschaffen. Aktuelle Skandale über Vetternwirtschaft in der Frankfurter und Wiesbadener Arbeiterwohlfahrt mit erheblichen Gehältern (rund 300.000 €), Dienstwagen für Kindergartenleiterinnen mit mehr als 500 PS, das ewige Elend um den Flughafen Berlin „Willy Brandt“, das Postengeschacher bei der Besetzung der Chefposten des Kölner Stadtwerkekonzerns oder der Bauakademie befördern weiterhin, dass das Vertrauen in Transparenz und Expertise im Sinne einer Bestenauslese in der Bevölkerung sehr eingeschränkt ist. Mitte des Monats ist nun ein Vorschlag für einen Musterkodex für die Corporate Governance öffentlicher Unternehmen veröffentlich worden: Der Deutsche Public Corporate Governance-Musterkodex (D-PCGM), siehe www.pcg- musterkodex.de.

Das Projekt vereint mannigfaltige Erfahrung, denn an ihm nahmen Praktiker wie aktuelle oder frühere Bürgermeister, unter anderem der Städte Mainz und Mannheim, die Käm-merin von Köln, Gremienmitglieder öffentlicher Unternehmen wie auch juristische und wirtschaftswissenschaftliche Ordinarien und unter anderem die frühere Bundesjustizministerin und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries teil. Der Musterkodex könnte Gebietskörperschaften als Leitlinie dienen, an der sie sich orientieren können. Er selbst orientiert sich in vielen Punkten dem Kodex für private Unternehmen, nimmt jedoch Rücksicht auf Besonderheiten, die sich insbesondere daraus ergeben, dass öffentliche Unternehmen vielfach Steuergelder verwalten, was insbesondere im Bereich Sponsoring zu Problemen führen kann. Ebenso wie im Corporate Governance-Kodex der Privatwirtschaft ist auch die Ämterhäufung sowie die Qualifikation für Ämter ein Thema, sowie Inkompatibilitäten bei politischen Mandatsträgern.

Der D-PCGM ist nicht Gesetz, sondern gibt Empfehlungen für gute Unternehmensführung und -organisation nach der Daumenregel „comply or explain“ – wie in der Privatwirtschaft. Aktuell haben circa 60 Gebietskörperschaften von über 2.000 deutschen Städten und über 200 Landkreise einen ähnlichen Kodex, teilweise jedoch sehr uneinheitlich und unvollständig.

Allerdings dürfte, sofern der Musterkodex dem Stadtrat oder Landtag entsprechend verabschiedet würde, er durchaus auch rechtlichen Gehalt erhalten: Denn wie in der Privatwirtschaft ist denkbar, dass eine Abweichung und unzureichende Erklärung von einem vom D-PCGM empfohlenem Verhalten haftungsrechtliche Folgen auslöst. Er könnte damit mehr werden als ein „Knigge für öf-fentliche Unternehmen“ (SZ vom 7. Januar 2020).


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Christoph Just berät Unternehmen in allen Fragen des öffentlichen Wirtschafts- und Vergaberechts.