Wir § Lebensmittel.

Die gesamte Versorgungskette von der Erzeugung über die Verarbeitung und Herstellung von Lebensmitteln bis hin zum Handel unterliegt verschiedensten wettbewerblichen Herausforderungen. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Bedeutung des Kartellrechts entlang der gesamten Lieferkette wider. Auf dieser Seite informieren wir Sie über die wesentlichen Aspekte rund um die Lebensmittelindustrie und das Kartellrecht.


Warum ist das Kartellrecht im Lebensmittelsektor so wichtig?

Aufgrund des hohen Preisdrucks finden sich im Lebensmittelsektor nicht wenige „klassische“ horizontale und vertikale Preisabsprachen oder sonstige wettbewerbswidrige Vereinbarungen, die neben behördlichen Bußgeldern mittlerweile auch zu Kartellschadensersatzverfahren führen können. Auf Ebene des sogenannten Primärmarktes, das heißt der landwirtschaftlichen Lebensmittelgewinnung, gelten teilweise weitreichende Ausnahmen vom Kartellverbot, um die Verhandlungsposition der Landwirte in der Versorgungskette zu verstärken.

Neben dieser teilweisen Bereichsausnahmen des Kartellverbots zugunsten der Landwirtschaft gibt es mittlerweile eine Vielzahl von (kartell-)rechtlichen Vorschriften, die sehr gezielt auf Verhandlungsgerechtigkeit Lebensmittelsektor abstellen. Zu nennen sind etwa das Anzapfverbot (§§ 19 Abs. 2 Nr. 5, 20 Abs. 2 GWB) sowie die absolut beziehungsweise relativ verbotenen Handelspraktiken gegenüber Zulieferern gemäß der Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken (Unfair-Trading-Practices; UTP) wie etwa überlange Zahlungsziele. Teilweise greift das Kartellrecht bis in die Preisbildung der Lebensmittelhändler ein wie beim Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter Einstandspreis (§ 20 Abs. 3 GWB).

Auch der kartellrechtliche Schutz vor Missbrauch von Marktmacht (Art. 102 AEUV, §§ 18-21 GWB) ist in der Lebensmittelbranche von großer Bedeutung. Lebensmittelhersteller mit marktbeherrschender Stellung oder zumindest relativer Marktmacht müssen daher Beschränkungen bei der Gestaltung ihrer Rabatt- und Bonussysteme oder der Aufnahme beziehungsweise dem Abbruch von Geschäftsbeziehungen hinnehmen. Dabei können sich durch die tendenziell sachlich engen und auf nationale Räume beschränkten Marktabgrenzungen der Wettbewerbsbehörden im Lebensmittelsektor schnell hohe Marktanteile ergeben, zum Beispiel auf eigens abgegrenzten Märkten für Sauermilchkäse. Umgekehrt können Abhängigkeiten der Lebensmittelhersteller von Handelsunternehmen auch dazu führen, dass die Händler nicht ohne weiteres Auslistungen vornehmen können. Verstärkt wird dieser Effekt durch Handelsallianzen. Kartellrechtlich verboten sind daneben auch Boykottaufruf, die etwa dann vorliegen können, wenn ein Handelsunternehmen andere Händler beziehungsweise ein Händlerverbund seinen angeschlossenen Händler auffordert, Produkte eines Lebensmittelherstellers auszulisten.


Schwerpunktthemen.

Anzapfverbot: Wenn Händler von Lebensmittelherstellern unangemessene Leistungen oder Konditionen fordern, die keinen nachvollziehbaren Gegenwert bieten und auch sonst nicht objektiv nachvollziehbar sind, kann dies einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Anzapfverbot nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 5, 20 Abs. 2 GWB begründen. Der BGH hat dies explizit für (rückwirkende) Hochzeitsrabatte im Nachgang einer Fusion zwischen Lebensmitteleinzelhändlern festgestellt. Das Bundeskartellamt wendet das Anzapfverbot auch auf unterjährige Konditionenforderungen von Händlern an (z.B. pauschal 7,5% Sonderkondition bei 75-jährigem Jubiläum des Händlers). Gerne beraten wir Sie dabei, das Anzapfverbot zur Abwehr ungerechtfertigter Forderungen des Handels einzusetzen.

Auslistung: Die Auslistung einiger oder aller Produkte eines Lebensmittelherstellers ist ein scharfes Schwert des LEH und kann zu erheblichen Verlusten auf Seiten der Hersteller führen. Das Kartellrecht setzt diesem Verhalten Grenzen, insbesondere als verbotener Abbruch von Geschäftsbeziehungen, unlautere Handelspraxis im Sinne der UTP-Richtlinie oder Boykottaufruf nach § 21 Abs. 1 GWB innerhalb von nationalen oder internationalen Handelsallianzen.

Ihr Berater.

Dr. Kim Manuel Künstner wollte als Kind – nicht ohne Eigennutz – eine ganze Weile Konditor werden, um dann später festzustellen, dass seine Stärken doch eher in der Komposition der richtigen Worte und damit in der Juristerei liegen. Das Interesse an der Herkunft, Herstellung und Vermarktung von Lebensmitteln hat er jedoch nie verloren und so bringt er heute als Kartellrechtspartner und Leiter des Lebensmittelsektors bei SCHULTE RECHTSANWÄLTE. Expertise und Leidenschaft zusammen. Seit vielen Jahren berät er nun Lebensmittelhersteller in allen Fragen des Kartellrechts, veröffentlicht regelmäßig in Fachpublikationen, die auch Eingang in die Rechtsprechung des BGH finden und wurde auch schon vom Bundestag als Sachverständiger angehört. Aber lernen Sie ihn am besten einfach kennen unter:

Neue Mainzer Straße 28
60311 Frankfurt am Main

T: +49 69 900 26-871
F: +49 69 900 26-999
E: kim.kuenstner@schulte-lawyers.com


Compliance: Der Kostendruck entlang der Lieferkette spiegelt sich auch in der Anzahl der Kartellverfahren im Lebensmittelsektor wider. Ob „klassische“ horizontale Absprachen zwischen konkurrierenden Lebensmittelherstellern, dem Informationsaustausch zum Zwecke der Verteidigung gegen Forderungen des Handels oder vertikale Absprachen zwischen Herstellern und Händlern zur Etablierung eines höheren Preisniveaus. Durch unsere interaktiven Schulungen behalten Ihre Mitarbeiter im Vertrieb stets den Durchblick.

Direktvertrieb: Lebensmittelhersteller erörtern zunehmend die Möglichkeiten des Direktvertriebs ihrer Produkte, sei es über Flagshipstores oder Online. Wir helfen nicht nur dabei, alle rechtlichen Hürden für den Einstieg ins Direktgeschäft zu beseitigen, sondern bereiten Lebensmittelhersteller auch auf die neue Compliance-Situation vor, in der sie nunmehr auch in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zu ihren Händlern stehen.

Einstandspreise: Mit der 9. GWB-Novelle im Jahre 2017 wurden die Regeln zur Berechnung des Einstandspreises der Lebensmittelhändler verschärft. Eine überproportionale Zuteilung allgemein gewährter Forderungen auf bestimmte Produkte eines Herstellers ist nur noch nach ausdrücklicher Vereinbarung mit dem Hersteller möglich. Das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis nimmt in erster Linie die Händler in die Pflicht. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der LEH Diskussionen um Einstandspreise zum Anlass nimmt, weitere Konditionen von den Herstellern zu fordern.

Handelsallianzen: Nationale und internationale Handelsallianzen im Bereich des LEH stellen die Lebensmittelhersteller vor große Herausforderungen. Nicht selten werden diese Allianzen auch dafür genutzt, um die ohnehin bereits ausgeprägte Verhandlungsmacht des LEH zu erweitern und auch die Drohkulisse der Auslistungen zu verstärken. Den Forderungen der Handelsallianzen stehen nicht selten keine adäquaten Gegenleistungen gegenüber. Hiergegen können sich Hersteller je nach Lage des Einzelfalls mit dem Anzapfverbot, dem Verbot von Boykottaufrufen oder dem Verbot des Missbrauchs der Marktbeherrschung oder relativen Marktmacht wehren.

Handelsmarken: Die steigende Bedeutung der Handelsmarkten verstärkt die Verhandlungsmacht großer Händler, die hierdurch die Regalflächen verknappen können und Herstellermarken insbesondere nach (temporären) Auslistungen zu ersetzen versuchen. Mehr noch kommt es teilweise zur Übernahme oder Kopie von Produktinnovationen der Hersteller. Dieser Praxis können Rechte des geistigen Eigentums aber auch Verbote der UTP-Richtlinie und des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes entgegenstehen.

Kartellschadensersatz: Auch in der Lebensmittelindustrie spielen Kartellschadensersatzansprüche eine wichtige Rolle: entweder müssen sich Lebensmittelhersteller im Nachgang zu Bußgeldverfahren gegen Ansprüche von Kunden verteidigen oder sie sind selbst durch ein Kartell benachteiligt worden und wollen hierfür kompensiert werden. Dabei kommen Kartellschadensersatzansprüche nicht nur bei Kartellabsprachen in Betracht, sondern auch bei rechtswidrigen Boykottaufrufen, Auslistungen und Verstößen gegen das Anzapfverbot. Profitieren Sie von unserer reichhaltigen Erfahrung in Kartellschadensersatzfällen.

Margen-/Spannengarantie: Streben Lebensmittelhersteller höhere Verkaufspreise für ihre Produkte an, sind Händler hierzu in der Regel nur bereit, wenn dies für sie zumindest margenneutral umgesetzt werden kann. Das Preissetzungsrisiko soll nach Ansicht des Bundeskartellamtes jedoch bei den Händlern liegen. Vereinbarungen zwischen Herstellern und Händlern, die in irgendeiner Form einen Ausgleich für den Absatzrückgang bei höheren Wiederverkaufspreisen vorsehen, müssen den kartellrechtlichen Anforderungen daher genügen.

Nachhaltigkeit: Nachhaltigkeit ist ein wichtiges, branchenumfassendes Thema entlang der gesamten Lebensmittellieferkette. Viele Nachhaltigkeitsziele wie Umweltschutz, faire Löhne für Lieferanten auch außerhalb der EU, Tierwohl, Entsorgung etc. können nur gemeinsam erreicht werden. Diese Kooperationen müssen jedoch Kartellrechtskonform sein und dürfen nicht einseitig die Verbraucher belasten. Wir unterstützen Sie dabei kartellrechtskonforme Kooperationen zu planen und durchzuführen.

UTP-Richtlinie: Die Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken verbietet Abnehmern entlang der Lieferkette für Agrarprodukte und Lebensmitteln bestimmte Verhaltensweisen (z.B. überlange Zahlungsziele) oder erlaubt sie nur nach ausdrücklicher Vereinbarung (z.B. Listungsgebühren). Damit verpflichtet die UTP-Richtlinie nicht nur den LEH, sondern auch Lebensmittelhersteller beim Bezug von Rohwaren.

In seinem Vortrag vom 24. Juni 2021 gab Dr. Kim Manuel Künstner einen praxisorientierten Einblick in die gesetzlichen Änderungen durch das "AgrarOLkG". Er begleitete die Umsetzung als Sachverständiger im Bundestag und Gutachter für den Bundesrat. In einem bündigen Vortrag erläutert der Experte für Lebensmittelkartellrecht, was, wann und wie auf Unternehmen der Lebensmittellieferkette und deren Compliance-Aktivitäten im Einkauf zukommt. Der Vortrag ist auf unserem YouTube-Kanal verfügbar. Über die Zeitmarken können Sie gezielt die Themen ansteuern, die Sie besonderes interessieren. Die abgebildeten Folien können Sie sich hier runterladen: Download.

Unsere Beratung des Lebensmittelsektors – viel mehr als nur Kartellrecht.

Unsere Beratung der Lebensmittelhersteller bleibt nicht beim Kartellrecht stehen. Vielmehr decken wir alle wesentlichen wirtschaftsrechtlichen Bereiche und kümmern uns insbesondere um alle Aspekte des Arbeitsrechts, Vertrags- und Vertriebsrechts, Compliance, Gründungen & Transaktionen sowie IP/IT und Datenschutz.


RECHT BEKÖMMLICH. - Der Webtalk zu Lebensmitteln und Kartellrecht.

In RECHT BEKÖMMLICH. diskutieret Dr. Kim Manuel Künstner mit sachkundigen Gästen live über aktuelle Themen aus den Bereichen Wettbewerbspolitik und Kartellrecht im Lebensmittelsektor live . Live-Zuschauer des Webtalks sind herzlich eingeladen, durch Fragen aktiv an der Gesprächsrunde teilzunehmen. Melden Sie sich zu unserem Lebensmittelkartellrecht Newsletter an und verpassen Sie keine Folge des Webtalks:

 

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