Die österreichische Wettbewerbsbehörde BWB hat ein Fokuspapier zu Preisvergleichsplattformen im Lebensmittelsektor veröffentlicht und konkrete gesetzliche Vorschläge unterbreitet. Sowohl das Papier als auch die politischen Forderungen bergen Sprengstoff. Die dahinterliegenden Vorgänge bilden nahezu die gesamte Bandbreite der Themen des zeitgenössischen Kartellrechts ab: Zugang zu Daten, algorithmische Preissetzung und Oligopolmacht. Der folgende Beitrag beleuchtet die wesentlichen Aspekte und gibt einen Ausblick.

Worum geht es in dem Fokuspapier Preisvergleichsplattformen?

Die BWB führt derzeit eine Sektoruntersuchung Lebensmittel durch. Der Abschlussbericht wird gegen Ende Oktober erwartet. Das jetzt veröffentlichte Fokuspapier konzentriert sich auf die Bedeutung von Preisvergleichsplattformen für Lebensmittel und inwieweit diese die Position der Verbraucher stärken und die Preise des LEH in Zeiten der Inflation senken können. Ein Praxisbeispiel aus Israel soll insoweit gezeigt haben, die Verstärkung der Preistransparenz die Preise um durchschnittlich 4-5 % habe sinken lassen.

Was bieten Preisvergleichsplattformen für Lebensmittel und wer betreibt diese?

Die Auswertung der BWB beruht insbesondere auf den Angaben folgender Preisvergleichsplattformen für Lebensmittel in Österreich: Heisse-Preise.io (https://heisse-preise.io), Preismonitor.at (https://preismonitor.at), Preisrunter.at (https://preisrunter.at), Supermarkt.at (https://www.supermarkt.at) und Teuerungsportal.at (https://teuerungsportal.at) identifiziert.

Die BWB stellt fest, dass Preisvergleichsplattformen für Lebensmittel in Österreich derzeit von Einzelpersonen betrieben werden, welche ihr Angebot aktuell für Verbraucher kostenfrei zur Verfügung stellen.

Was sind die wesentlichen Erkenntnisse der BWB zu den Lebensmittelpreisvergleichsplattformen?

Es gibt eine starke Informationsasymmetrie zulasten der Verbraucher. Denn während die Lebensmitteleinzelhändler die Preisinformationen ihrer Wettbewerber über sog. Crawler online jederzeit abrufen können, haben Verbraucher diese Möglichkeit in der Regel nicht. Soweit Preisvergleichsplattformen diese Lücke schließen könnten, werden deren Aktivitäten erschwert, indem ihre Crawler blockiert und die notwendigen Daten nicht über Schnittstellen („API“) zur Verfügung gestellt werden.

Der Marktzugang für Preisvergleichsplattformen wird erheblich durch weitere rechtliche und tatsächliche Schranken erschwert, z. B. durch Verbote in den AGB der Online-Händler Webseiteninhalte zu speichern oder darzustellen und fehlende einheitliche Informationen über die angebotenen Waren (z. B. EAN-Strichcodes).

Zwei Plattformbetreiber meldeten erkennbare Preismuster wonach sich u. a. simultane Preisänderungen zwischen den Händlern nach oben oder unten beobachten lassen und Discountmarken sowohl im Einstiegssegment als auch im mittelpreisigen Segment teilweise auf den Cent genau gleich ausgepreist seien. Dieses Ergebnis deckt sich mit Erkenntnissen, die Foodwatch im Rahmen einer Kassenbon-Analyse der Einstiegseigenmarken im deutschen LEH im März 2023 gewonnen hat. Geht man davon aus, dass diese parallelen Preisbewegungen bei den Eigenmarken nicht auf kartellrechtswidrigen Absprachen beruhen.

Welche politische Forderungen leitet die BWB aus ihren Erkenntnissen ab?

Überraschend deutlich leitet die BWB eine Reihe konkreter Forderungen aus ihren Erkenntnissen ab:

Alle LEH, die einen Online-Shop betreiben oder eine gewisse Größe haben, sollten verpflichtet werden, die Preisinformationen der angebotenen Lebensmittel über eine Anwendungs-Programmierschnittstelle („API“) zugänglich zu machen. Alle anderen LEH sollte die freiwillige Bereitstellung ihrer Daten über die API offenstehen.

Die BWB schlägt einen Mindestumfang der über die API zu teilenden Informationen vor, bestehend aus EAN (Strichcode), Produktname, Hersteller, Marke, Preis pro Abgabemenge, Menge (in Gramm/Milliliter/Stück), Herkunftsland, Angebot (Ja/Nein), Bio (Ja/Nein), Kategorie nach einem definierten Stufenschema (z.B. „Lebensmittel/Kühlware/Milchprodukt/Milch“). Als optional sinnvoll werden weitere Informationen wie Vegan (Ja/Nein), Allergene und Gütesiegel bezeichnet.

Schließlich weist die BWB auf die Notwendigkeit der Schaffung von Rechtssicherheit für die Preisvergleichsplattformen hin, z. B. indem AGB der LEH für unwirksam erklärt werden, soweit sie die Nutzung von Webshopdaten verbieten.

Bewertung und Ausblick.

Die Ergebnisse der BWB belegen einmal mehr, wie zentral der Zugang zu Daten im zeitgenössischen Kartellrecht für funktionierenden Wettbewerb gerade in der Digitalwirtschaft ist. Ob es um die Daten der Deutschen Bahn zum Zwecke des Angebots konkurrierender Mobilitätsapps geht oder wie hier um Zugang zu den Daten des LEH für den Betrieb von Preisvergleichsportalen: der Zugang zu Daten ist regelmäßig der Schlüssel zu mehr Wettbewerb. Im deutschen Kartellrecht spiegelt sich dies nicht zuletzt in § 20 Abs. 1a GWB wider, der abhängigen Unternehmen einen Anspruch auf Zugang zu Daten gegen angemessenes Entgelt gewährt.

Daneben belegt der Fall auch die Gefahr der Erzeugung von „Tankstellenmärkten“ durch IT- und Algorithmus-gestützte Preissetzung. Denn durch das „Crawlen“ der Preise ihrer Wettbewerber, werden die LEH in die Lage versetzt, sich kurzfristig an die Preisänderungen ihrer Wettbewerber anzupassen.

Diese Gefahr wird durch die oligopolistische Struktur des LEH verstärkt, so dass erhebliche parallele Preiserhöhungen selbst bei Einstiegseigenmarken beobachtet werden können. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die Erhöhung der Preistransparenz auf Seiten der Verbraucher ein effektives Mittel sein kann. So drängt sich der Mehrwert der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe auf Seiten der Verbraucher nicht zwangsläufig auf. Sollten die parallelen Preiserhöhungen im LEH auf strukturellen Problemen beruhen, dürfte eine Abschwächung der Informationsasymmetrie alleine kein probates Gegenmittel sein.


Dr. Kim Manuel Künstner hat als Sachverständiger im Bundestag und Gutachter des Landwirtschaftsministeriums NRW die Umsetzung der UTP-Richtlinie in das AgrarOLkG eng begleitet und berät Lieferanten und Käufer entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette zu allen Fragen rund um unlautere Handelspraktiken und Lebensmittelkartellrecht. Aber machen Sie sich doch einfach selbst ein Bild:


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