Mit Entscheidung vom 24. Januar 2024 untersagte das Tribunal de Commerce de Paris einem der führenden französischen Einzelhändlern Carrefour seine öffentlichkeitswirksamen Shrinkflation-Vorwürfe gegenüber PepsiCo. Die Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die faire Kommunikation entlang der Wertschöpfungskette im Kontext der Anpassung von Verpackungsgrößen, Rezepturen und Preise.

Was war geschehen?

Shrinkflation ist in aller Munde. Egal ob als Werbespot des US-Präsidenten Biden während des Superbowls oder als Gegenstand der Sektoruntersuchung Lebensmittel in Österreich, die Kombination aus gleichbleibenden oder gar steigenden Preisen bei gleichzeitiger Verringerung des Packungsinhalts treibt viele Menschen um.

In Frankreich hat dies bei dem Lebensmittelhändler Carrefour zu einer Shrinkflation-Kampagne gegen PepsiCo geführt. PepsiCo beliefert Carrefour unter anderem mit Produkten wie Softdrinks (z.B. Pepsi-Cola, Lipton, 7up) und Chips (z.B. unter der Marke Lay’s und Doritos).

Diese Produkte wurden ab dem 6. September 2023 in den Ladenlokalen von Carrefour mit Schildern versehen, die folgenden Inhalt hatten: „Shrinkflation - Bei diesem Produkt wurde der Inhalt verringert und der von unserem Lieferanten verlangte Preis erhöht. Wir verpflichten uns, den Preis neu zu verhandeln“. Zudem äußerten sich Vertreter von Carrefour in Radio- und Fernsehbeiträgen konkret über PepsiCo und behaupteten beispielsweise, der Inhalt in Lay’s-Packungen sei um 15g geschrumpft und der Preis um 30 % erhöht worden.

Das Verhalten von Carrefour führte laut PepsiCo zum Einbruch der Verkaufszahlen im vierten Quartal 2023. Ab Anfang 2024 ließ Carrefour Schilder anbringen, auf denen mitgeteilt wurde, dass die Marken von PepsiCo wegen einer unannehmbaren Preiserhöhung nicht mehr verkauft werden. Hiergegen ging PepsiCo gerichtlich vor.

Was hat das Handelsgericht entschieden?

Das Handelsgericht hat das Verhalten von Carrefour als unlautere Verbrauchertäuschung im Sinne des L121-1 und L121-2 des französischen Verbraucherschutzgesetzes qualifiziert. Demnach liegt eine Verbrauchertäuschung vor, wenn sie auf falschen oder irreführenden Behauptungen, Angaben oder Darstellungen beruht, die sich auf eines oder mehrere der folgenden Elemente beziehen: (...) c) den Preis oder die Art der Preisberechnung, den Werbecharakter des Preises, insbesondere Preisnachlässe im Sinne des I von Artikel L. 112-1-1, Preisvergleiche und die Verkaufs-, Zahlungs- und Lieferbedingungen der Ware oder Dienstleistung.

Hiervon ist das Handelsgericht im vorliegenden Fall der Shrinkflation-Warnung ausgegangen.

Zunächst hat es festgestellt, dass Carrefour und PepsiCo Wettbewerber sind, da Carrefour unter der eigenen Handelsmarke u.a. Eistee und Kartoffelchips vertreibt.

Hinsichtlich der konkreten Shrinkflation-Warnung (weniger Inhalt, höhere Preise) stellt das Gericht fest, dass diese Aussage nicht quantifiziert sei und einen vagen und subjektiven Charakter habe, da Carrefour nicht die Größenordnung der tatsächlichen oder vermuteten Preiserhöhung pro Kilo oder Liter angegeben habe.

Einen Verweis Carrefours auf die Preisliste ließ das Gericht nicht gelten, da diese nur das Verhältnis zwischen Händler und Lieferanten und nicht zwischen Händler und Verbraucher betreffe. PepsiCo hatte im Prozess Carrefour vorgeworfen, dass sich der Händler über seine Verantwortung in Bezug auf seine eigenen Margen ausschweige, die den vom Verbraucher gezahlten Endpreis bestimme.

Des Weiteren konnte Carrefour nicht erklären, warum die Shrinkflation-Warnung gerade ab dem 6. September 2023 erfolgte, obwohl die Produkte von PepsiCo bereits seit Anfang des Jahres gelistet waren.

Im Ergebnis ordnete das Gericht daher an, dass Carrefour die Shrinkflation-Warnungen einstweilen entfernen muss.

Folgen für die Praxis.

Die Entscheidung zeigt, dass das „Schwarze-Peter-Spiel“ zwischen Handel und Lieferanten beim Thema Shrinkflation rechtliche Fallstricke aufweist. Wer Wettbewerbern Shrinkflation vorwirft, sollte sicher sein, dass der Vorwurf belegt werden kann. Insoweit sollte auch darauf geachtet werden, dass bei den eigenen Marken nicht zu Shrinkflation gekommen ist, um einen Dominoeffekt zu vermeiden.

Schließlich darf die kartellrechtlich geschützte Preissetzungshoheit des Handels nicht außer Acht gelassen werden. Es ist gerade keine Naturkonstante, dass Händler eventuelle Preissteigerungen margenneutral an die Kunden weitergeben müssen. Falls der Handel gleichwohl zur Beibehaltung seiner Marge die Endverbraucherpreise anhebt, bleibt ihm auch die Möglichkeit, die Gründe hierfür zu kommunizieren, statt die Kunden vor Produkten zu warnen, die der Handel selbst absetzen möchte.


Dr. Kim Manuel Künstner hat als Sachverständiger im Bundestag und Gutachter des Landwirtschaftsministeriums NRW die Umsetzung der UTP-Richtlinie in das AgrarOLkG eng begleitet und berät Lieferanten und Käufer entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette zu allen Fragen rund um unlautere Handelspraktiken und Lebensmittelkartellrecht. Aber machen Sie sich doch einfach selbst ein Bild:


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