Der Deutsche Bundestag beschloss in der letzten Sitzung des Jahres am 16. Dezember 2022 das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (Hinweisgeberschutzgesetz bzw. HinSchG).

Auf den letzten Drücker kamen gegenüber dem Regierungsentwurf noch einige wichtige Änderungen hinzu, die wir im folgenden Beitrag darstellen. Die wichtigsten Fragen zum HinSchG beantworten wir in unseren FAQ zum Hinweisgeberschutzgesetz. Eine kostengünstige und vollumfängliche Abdeckung aller organisatorischen, technischen und rechtlichen Pflichten nach dem HinSchG bietet unser Hinweismanagementsystem inklusive IT-Lösung aus einer Hand.

Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs.

In § 2 Abs. 1 Nr. 9 und Nr. 10 HinSchG wir der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG gegenüber dem Regierungsentwurf erweitert.

Der Schutz von Hinweisgebern bezieht sich demnach auch auf Verstöße gegen den Digital Markets Act (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 HinSchG) und betrifft daher insbesondere Whistleblower, die Hinweise zu Verstößen großer Digitalkonzerne geben wie im Fall der „Facebook-Whistleblowerin“ Frances Haugen.

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Des Weiteren werden auch Hinweisgeber zum Thema Äußerungen von Beamtinnen und Beamten geschützt, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 HinSchG). Diese Änderungen dürfte auch aufgrund jüngster Vorgänge und Durchsuchungen gegen die sog. Reichsbürger aufgenommen worden sein, zu der auch Beamte zählen.

Anreize für Nutzung interner Meldestellen.

Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 HinSchG sollen Unternehmen, die zur Einrichtung einer internen Meldestelle verpflichtet sind (d. h. mit durchschnittlich 50 Arbeitnehmern), Anreize schaffen, dass sich Hinweisgeber zunächst an die interne Meldestelle wenden, bevor sie eine Meldung bei einer externen Meldestelle abgeben. Wie genau diese Anreize ausgestaltet sein sollen, überlässt der Gesetzgeber den Unternehmen.

Daneben besteht die Pflicht der Beschäftigungsgeber zur Bereitstellung klarer und leicht zugänglicher Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens (§ 7 Abs. 3 Satz 2 HinSchG).

Welchen Spagat Beschäftigungsgeber hinbekommen müssen, zeigt sodann § 7 Abs. 3 Satz 3 HinSchG, der wiederum verlangt, dass Hinweisgebern durch Anreiz- und Informationsgewährung nicht die Möglichkeit einer externen Meldung beschränkt oder erschwert werden darf. Das Spannungsverhältnis zum Anreiz einer vorherigen internen Meldung ist offenkundig. Hier wird in erster Linie darauf zu achten sein, dass in Aussicht gestellte Anreize nicht an einen Verzicht auf eine externe Meldung anknüpfen.

Pflicht zur Bearbeitung anonymer Meldungen und anonyme Kommunikation.

Sah der bisherige Entwurf des HinSchG ein Wahlrecht der Beschäftigungsgeber dahingehend vor, ob sie anonym eingehende Meldungen bearbeitet, wird dies in der Endfassung nun zur Pflicht erhoben (§ 16 Abs. 1 Satz 4 HinSchG). Folgerichtig wird das HinSchG um die Pflicht erweitert, Meldekanäle aufrechtzuerhalten, die eine anonyme Kontaktaufnahme und eine für die hinweisgebende Person anonyme Kommunikation ermöglichen.

Meldekanäle per E-Mail, Telefon, Fax, etc. können daher schnell an ihre technischen Grenzen stoßen, da über Rufnummer-Erkennung, E-Mail-Adressen, IP-Daten, etc. eine anonyme Meldung, jedenfalls aber eine anonyme Kommunikation regelmäßig ausgeschlossen sein dürfte. Zwar müssen nicht alle Meldekanäle eine anonyme Meldung und anonyme Kommunikation ermöglichen. Es ist jedoch mindestens ein solcher Meldekanal vorzuhalten (§ 16 Abs. 1 Satz 5 HinSchG).

Geht gleichwohl eine anonyme Meldung über einen nicht geeigneten Meldekanal ein, gelten für diese Meldung einige Vorgaben zur Dokumentation, Eingangsbestätigung, Rücksprache und Verweisung nicht (§ 16 Abs. 1 Satz 6 HinSchG).

Die neuen Pflichten zu anonymen Meldungen werden jedoch erst nach einer Schonfrist ab dem 1. Januar 2025 angewandt (§ 42 Abs. 2 HinSchG).

Zusammenkunft per Videotelefonie.

Soweit hinweisgebende Personen Anspruch auf eine persönliche Zusammenkunft mit zuständigen Vertretern der internen Meldestelle haben, kann ein solches „Treffen“ mit Zustimmung der hinweisgebenden Person auch im Wege der Videotelefonie stattfinden (§ 16 Abs. 3 Satz 3 HinSchG).

Schadensersatz auch ohne Vermögensschaden.

Schließlich wurde der Anspruch auf Schadensersatz wegen Repressalien erweitert um eine angemessene Entschädigung für Schäden der hinweisgebenden Person, die keine Vermögensschäden sind (§ 37 Abs. 1 Satz 2 HinSchG). Ein vergleichbarer Anspruch besteht im Anwendungsbereich der DSGVO und wird gerade durch die Entscheidungspraxis mit Leben gefüllt.

Ab wann gilt das HinSchG?

Der Bundesrat wird erst im neuen Jahr über den Gesetzesentwurf beraten. Mit einem Inkrafttreten des HinSchG ist daher nicht vor April 2023 zu rechnen.

Die Vorschriften über die Bearbeitung anonymer Hinweise und das Vorhalten eines hierfür geeigneten Kommunikationskanals finden erst ab dem 1. Januar 2025 Anwendung. Insoweit verbleibt noch eine gewisse Schonfrist.

Bei Fragen rund ums Thema Hinweisgebermanagement, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder sonstigen Compliance-Themen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.


Dr. Kim Manuel Künstner berät Unternehmen umfassend zu allen Compliance-relevanten Fragen, insbesondere zu Compliance-Organisation, Schulungssystemen und internen Durchsuchungen.

Thorsten Walter berät Unternehmen umfassend zu allen Compliance-relevanten Fragen, insbesondere zu Meldesystemen, Datenschutz und Verhandlungen mit Interessensvertretern der Arbeitnehmer.