Immer mehr Verbraucher achten auf Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit bei ihren Einkäufen. Deswegen erfreut sich aktuell auch Werbung von Unternehmen, die diese Aspekte in den Vordergrund stellen, großer Beliebtheit. Aber gerade diese Art der Werbung birgt häufig die Gefahr der Irreführung im Sinne des § 5 UWG, denn es fehlt bislang an einem gesetzlichen Mindeststandard was unter „nachhaltig“ oder „umweltfreundlich“ zu verstehen ist.

Die wirtschaftliche Bedeutung „grüne Werbung“ und ihr rechtliches Irreführungspotential

Die steigende Wichtigkeit „grüner“ Werbung wird empirisch durch eine Befragung der Agentur Pilot aus Hamburg bestätigt. 63 % der Befragten gaben gegenüber der Agentur an, dass ihnen Werbeinhalte zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit gefallen. Auch eine Untersuchung der europäischen Kommission bestätigt dieses Untersuchungsergebnis. Hiernach seien 57 % Konsumenten empfänglich für Green Claims, allerdings finden es 61 % schwierig zu verstehen, welche grün gelabelten Produkte wirklich umweltfreundlich oder nachhaltig sind.

Gleichzeitig stellte eine Untersuchung des europäischen Verbraucherschutz-Netzwerks CPC in Kooperation mit der Europäischen Kommission am 28. Januar 2021 fest, dass in fast der Hälfte der ausgewerteten Fälle irreführende grüne Claims gemacht wurden. Insbesondere wurden von den Händlern keine ausreichenden Informationen zur Verfügung gestellt, um die Richtigkeit der Angaben überprüfen zu können.

Aktuelle Entscheidungspraxis der Gerichte zu Werbeaussagen „CO2 reduziert“ und „klimaneutral“

Eine solche Irreführung von Verbrauchern kann wettbewerbsrechtliche Konsequenzen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nach sich ziehen. Die Thematik beschäftigte bereits die deutschen Gerichte in mehreren Fällen. So verbot das OLG Hamm in einem einstweiligen Verfügungsverfahren erst kürzlich Werbung mit der allgemeinen Aussage „CO2 Reduziert“ (OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2021 – 4 U 57/12). Die Werbeaussage „CO2 Reduziert“ müsse konkret herausstellen, welche Aspekte des Produktionsprozesses, der Verpackung oder des Vertriebs betroffen sind. Der BGH entscheidet regelmäßig, dass Werbung mit Umweltschutzaspekten strengen Maßstäben unterliegt und auch an die aufklärenden Hinweise strikte Anforderungen zu stellen sind.

Auch der Begriff der Klimaneutralität war bereits Streitgegenstand vor deutschen Gerichten. Sowohl das LG Düsseldorf als auch das LG Frankfurt entschieden, dass es für eine Werbung mit „klimaneutral“ nicht ausreichend ist, wenn ein Produkt an sich nicht klimaneutral ist, sondern nur die rechnerische Gesamtbilanz durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten ausgeglichen wurde.

Die Wettbewerbszentrale mahnt ebenfalls regelmäßig Werbung mit Umweltbezügen ab, die den Verbraucher irreführen könnte. Derzeit hat die Wettbewerbszentrale mehrere Unterlassungsklagen eingereicht, die im Zusammenhang mit der Aussage „klimaneutral“ stehen.

Behördliche Orientierungshilfen und Gesetzgebungsvorhaben.

Die britische Wettbewerbsbehörde CMA hat vor wenigen Wochen einen Green Claims Code veröffentlicht, der Unternehmen eine Orientierung für Werbung mit Nachhaltigkeitsclaims bieten soll. Als Grundprinzipien verlangt die CMA, dass die Werbebehauptungen wahrheitsgemäß, präzise, klar, unmissverständlich, angemessen, aussagekräftig und begründet seine müssen, den vollständigen Lebenszyklus des Produktes oder der Dienstleistung berücksichtigen muss und keine wichtigen relevanten Informationen weglassen oder verbergen darf.

Da sich das Lauterkeitsrecht des Vereinigten Königreichs und der Bundesrepublik durch europäische Vorgaben mittlerweile weitgehend ähneln, dürften sich viele der Aspekte aus der Handreichung auf die deutsche Rechtslage übertragen.

Gleichzeitig hat die Behörde angekündigt, ab 2022 umfänglich irreführende Werbung mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsclaims zu überprüfen.

Auch die europäische Kommission plant eine Initiative zur Substantiierung grüner Behauptungen und gegen Greenwashing von Nachhaltigkeitsclaims. Hierdurch soll ein Rahmen geschaffen werden, wie und welche grüne Werbeaussagen durch Unternehmen getroffen werden dürfen. Ob dieser Rahmen wie die Health-Claims-Verordnung ausgestaltet werden soll, bei welcher gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung nur dann zulässig sind, wenn sie explizit von der entsprechenden Behörde in einem Vorab-Zulassungsverfahren zugelassen wurden, bleibt noch offen.

Der von der europäischen Kommission geplante Entwurf zur Regulierung von Öko-Marketing wird wohl erst im Laufe des nächsten Jahres erscheinen. Für Unternehmen ist es allerdings auch schon jetzt wichtig im Hinblick auf mögliche gerichtliche Verfahren und drohende Strafen die eigene Werbung kritisch zu prüfen. Denn trotz der neuerlichen Entwicklungen bleibt es dabei, dass umweltbezogene Werbeaussagen grundsätzlich zulässig sind, soweit Sie nicht pauschal, sondern hinreichend konkret formuliert werden, beweisbar sind und ohne weitere Zusätze vom Verbraucher verstanden werden.

Sollten Sie weitergehende Fragen zur Zulässigkeit grüner Werbung haben oder rechtliche Unterstützung bei einer Werbekampagne benötigen, können Sie uns gerne jederzeit ansprechen.

Update vom 09.02.2022.

Nach den Entscheidungen des LG Kiel, Konstanz und OLG Hamm folgt nun eine Entscheidung des LG Oldenburg zu einer Werbung der Wiesenhof Geflügel-Kontor GmbH mit „Klimaneutral“. Wiesenhof hatte damit geworben, „an sämtlichen deutschen Standorten für Hähnchen-, Puten- und Geflügelfleischprodukte klimaneutral“ zu wirtschaften. Darüber hinaus nutzte Wiesenhof das Logo „Klimaneutral“ des Zertifizierungsdienstleisters ClimatePartner GmbH. Beide Werbemaßnahmen wurden vom LG Oldenburg wegen unzureichender Aufklärung über die konkrete Klimaneutralität untersagt. Als wesentliche Information hätte Wiesenhof darüber aufklären müssen, dass „die Beklagte die behauptete Klimaneutralität im Sinne der Kompensation durch Spenden/Unterstützung zugunsten Klimaschutzprojekten erreichen will“. Insbesondere soll es, so das Gericht, bei der Werbeanzeige ausreichenden Platz für weiterführende Informationen zur Erreichung der Klimaneutralität gegeben haben.

Für endgültige Klärung soll nun die Green-Claims-Initiative der europäischen Kommission sorgen. Der entsprechende Entwurf soll am 30. März vorgestellt werden und Rechtssicherheit bei der rechtlichen Beurteilung von Green Claims schaffen. Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden und stehen jederzeit für Ihre (rechtlichen) Werbefragen zur Verfügung.

Dieser Blogbeitrag wurde in Zusammenarbeit mit unserer Referendarin Anna Grümmer erstellt.


Dr. Kim Manuel Künstner berät Lebensmittelhersteller zu allen Fragen des Kartellrechts einschließlich der Vereinbarungen mit Lieferanten und dem Handel und im Rahmen des Transaktionsgeschäfts.