Wie in Blogbeitrag 15 berichtet, hat das Bundeskartellamt am 8. Juni 2021 den Entwurf der „Leitlinien zur vorzeitigen Löschung einer Eintragung aus dem Wettbewerbsregister wegen Selbstreinigung“ sowie „Praktische Hinweise für einen Antrag“ als Hilfestellung für Unternehmen veröffentlicht.

Der vorliegende Blogbeitrag erläutert in einem ersten Teil die sich aus den Entwürfen ergebenden Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Antrag auf vorzeitige Löschung aus dem Wettbewerbsregister (sog. Selbstreinigung gem. § 8 Wettbewerbsregistergesetz) sowie die für eine Löschung erforderliche Verpflichtung zum Schadensausgleich. Er ergänzt somit unseren 7. Blogbeitrag zum Wettbewerbsregister, der sich mit den erforderlichen Selbstreinigungsmaßnahmen beschäftigte sowie den 14. Blogbeitrag, der die förmlichen Voraussetzungen einer Selbstreinigung zum Gegenstand hatte. Am 16. November 2021 folgt auf unserem Blog der 2. Teil, in dem die zur Selbstreinigung notwendige umfassende Zusammenarbeit mit den Ermittlungs- und Registerbehörden sowie die hierfür erforderlichen technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen dargestellt werden.

Allgemeines.

Ein Unternehmen, das im Wettbewerbsregister eingetragen ist und eine vorzeitige Löschung begehrt, muss alle Voraussetzungen einer Selbstreinigung nach § 123 Abs. 4 S. 2 bzw. § 125 GWB erfüllen, dies gegenüber dem Bundeskartellamt darlegen und nachweisen. Der Antrag muss schlüssig sein und der Sachverhalt übersichtlich zusammengefasst werden. Bezugnahmen auf Anlagen sind zulässig. Jedoch sollten die in Bezug genommen Punkte im Antrag übersichtlich dargestellt und gekennzeichnet werden.

Zulässigkeit des Antrags.

Zulässig ist ein Antrag auf Selbstreinigung, wenn er in Textform gestellt wird und der Antragsteller glaubhaft macht, an Verfahren über die Vergabe öffentlicher Aufträge teilzunehmen oder dies zu beabsichtigen. Substantiieren kann der Antragsteller dies zum Beispiel durch eine Mitteilung der Umsätze mit öffentlichen Aufträgen in den letzten zwei Jahren.

Erforderliche Selbstreinigungsmaßnahmen.

Im Falle von Steuer- und Sozialversicherungsstraftaten/-ordnungswidrigkeiten sind die nicht gezahlten Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge vollständig nachzuzahlen. Ausreichen soll aber auch eine Verpflichtung zur Zahlung, soweit diese einer erfolgten Zahlung gleichsteht (vollstreckbarer Titel).

Bei allen anderen Eintragungsdelikten muss der Antragsteller die folgenden Voraussetzungen nach § 125 GWB erfüllen:

  • Schadensausgleich (dazu sogleich);

  • Umfassende Klärung der Tatsachen und Umstände (dazu in Teil 2);

  • Ergreifen konkreter technischer, organisatorischer und personeller Maßnahmen, die geeignet sind, weiteres Fehlverhalten zu vermeiden (dazu in Teil 2).

Schadensausgleich.

Um eine Löschung zu erwirken, muss das Unternehmen einen Ausgleich für jeden durch das Fehlverhalten verursachten Schaden zahlen oder sich hierzu verpflichten. Bei einer Verpflichtung gilt, dass die Verpflichtung einer bereits erfolgten Zahlung gleichstehen muss, wie etwa bei einer (Raten-) Zahlungsvereinbarung mit notarieller Unterwerfungserklärung oder einem gerichtlichen Vergleich.

Da oftmals, wie im Kartellschadensersatzrecht, sowohl der Schadenseintritt als auch die Schadenshöhe zwischen den Prozessparteien streitig ist, konkretisiert das Bundeskartellamt in den Leitlinien die „verursachten“ Schäden dahingehend, dass jedenfalls offenkundig durch das Fehlverhalten verursachte Schäden auszugleichen sind, hinsichtlich deren (Mindest-) Höhe keine ernsthaften tatsächlichen und rechtlichen Zweifel bestehen. Offenkundigkeit sei jedenfalls bei einer rechtskräftigen Feststellung der Ausgleichspflicht gegeben.

Bei nicht offenkundigen und strittigen Schäden müsse das Unternehmen hingegen darlegen, dass es seiner Pflicht zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Schadens und seiner etwaigen Ausgleichspflicht nachgekommen ist beziehungsweise nachkommen wird. Insbesondere muss das Unternehmen angeben, ob es die begehrte Herausgabe von Informationen und Unterlagen abgelehnt hat. Dass durch diese Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht die zivilrechtlichen Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens beschränkt werden, scheint die Registerbehörde in Kauf zu nehmen. In den Praktischen Hinweisen wird hierzu lediglich ausgeführt, dass „das Spannungsverhältnis zwischen der Wahrung von Verfahrens- und Verteidigungsrechten des Unternehmens sowie der handelnden Personen und der Pflicht zur aktiven Zusammenarbeit (…) in einer Gesamtschaut bewertet werden“ müsse.

Das Unternehmen muss in dem Antrag darüber hinaus insbesondere Angaben zu den Geschädigten, der Art des Schadens sowie der Schadenshöhe machen. Unternehmen müssen in jedem Fall Angaben zu allen Geschädigten machen, die bereits Ansprüche geltend gemacht haben. Sollte das Unternehmen der Auffassung sein, dass ein Anspruch nicht besteht, ist diese Auffassung erläuternd im Antrag darzulegen. Problematisch erscheint die Vorgabe des Bundeskartellamtes, dass ein Unternehmen auch darlegen muss, welche Schäden durch das Fehlverhalten „entstanden sein könnten“. Ein derart weitgehendes Verständnis findet bereits keine Stütze in § 125 GWB und erscheint für den Nachweis eines Schadensausgleichs nicht notwendig. Denn reine Mutmaßungen über hypothetische Schäden versetzen die Behörde nicht in die Lage, den Sachverhalt und die durchgeführten Selbstreinigungsmaßnahmen besser beurteilen und eine entsprechende Entscheidung zur vorzeitigen Löschung treffen zu können. Es bleibt abzuwarten, wie die finalen Leitlinien ausgestaltet werden.

Weitere Teile aus dieser Reihe:


Die Schwerpunkte von Dr. Michael Dallmann liegen im Bereich des deutschen und europäischen Kartellrechts einschließlich einer umfassenden Beratung in Kartellbußgeldverfahren.